ich habe als Armeeangehöriger die Wende ja nicht selbst erlebt. Mir stellt sich deshalb die Frage, wie mit den zahlreichen NVA-Dokumenten (z.B. DVs) damals verfahren wurde. Die normalen Dienstvorschriften (also die ohne Geheimhaltungsgrad), wie sie zu tausenden in den Standorten vorhanden waren, nahmen sicherlich den kurzen Weg zum Altpapier. Aber es gab ja auch noch die Panzerschränke der Führungsebene (Kommandeure) und die VS-Stellen an den Standorten, die viele GVS- bzw. VVS-Unterlagen und deren Nachweise, aufbewahrten und verwalteten. Was passierte damit? Gab es damals geregelte Modalitäten - z.B. Einlagerung in Potsdam (später dann nach Freiburg) - oder nahm sich ein jeder mit, was ihn interessierte und er gerade greifen konnte? Oder wurde, im schlimmsten Fall, einfach das Fenster aufgemacht....?
welche Wendezeit meinst du ? Bis zum Sommer 1990 lief die NVA ja fast "normal" weiter. Sieht man auch an der aktiven Einrichtung eines neuen RFS-Bunkers in Madlitz.
Mit Sicht auf Oktober 1990: Bereits im Vorfeld wurde VS bereinigt. Etliches an VVS und GVS ist für offen erklärt- Koffer wurden aufgelöst- das müsstest du noch mitgemacht haben.
Selten nahm jemand etwas mit an Dienstunterlagen soviel ich weiß- es gab/gibt jedoch auch Leute mit Inhalt Panzerschrank daheim nebst Org Befehle in Urschrift- also 1. Ausfertigung. Die klauten alles was nicht niet-und nagelfest war.
Die meisten NVAler hatte eine ehrliche Haut. Nahmen höchstens ihre persönlichen Einsatzdokumente mit. Eher als Erinnerung.
Da durch die BundesLuftwaffe ab 3.Oktober 90 alle NVA-Verfahren erst einmal weiter liefen- galten auch die Vorschriften weiter. Offene Unterlagen gingen jedoch nach und nach den Weg in die Tonne oder auf den Altpapiercontainer vorm Haus. Darunter auch etliches ehemalige VS-Papier, dass nun für offen erklärt war. Die VS-Stellen waren aufzulösen und alles in die "Registratur" beim A2 des Kommandos einzulagern. Beim A2 war MAD angesiedelt und der stöberte alles erst einmal durch nach Infos- Von dort ging es dann ins Bundesarchiv nach Freiburg. Nachdem der Gesamtbestand auch nochmal um 90% reduziert wurde. Da niemand zentral eine Übersicht über die Dokumente hatte- wurde etliches abgezweigt. Vieles was die Wessis auch aus VS nicht wissen sollten, bekamen sie auch nicht zu sehen. Vom Heinzmann ( VS-Stellenleiter des Chef LSK/LV) weiß ich von GKdos- die direkt an GSSD zurück gingen. Was nicht nach Wünsdorf zurück ging kam in die Flammen der 2 Verbrennungsöfen im Objekt.
Einiges landete bei ebay und füllt nun die Schränke alles wissender User.
Im WBK Rostock lief es im Prinzip ebenso. Soweit mein Kenntnisstand.
Es gab schon lange vor 1990 die Festlegung, dass jeder, der ein VVS / GVS (nicht GkDos) - Dokument verantwortlich herausgab es auch der Vernichtung preisgeben konnte. Ohne weitere Begründung, nur gegen Unterschrift. Wenn es in mehreren Exemplaren existierte und auch noch verteilt auf mehrere VS-Stellen war, hat das trotzdem funktioniert. Die herausgebende VS-Stelle wusste wo die anderen Exemplare waren und hat diese Stellen informiert. Diese Exemplare wurden i.d.R. dann vor Ort vernichtet. Soweit vorab.
Im zweiten Halbjahr 1990 bis zum 03/10 wurde dieser Prozess extensiv und ohne große weitere Nachfrage betrieben. Wir haben uns u.a. den Spass gemacht und 'unsere' VS-Stelle im Kdo. 'aufgeräumt'. Das durchaus im Wissen auch der BuWe, die wollte gar nicht so viel Altpapier. Da das oben geschilderte im Prinzip für jeden Vorgesetzten nach oben hin galt, waren auch alle Führungsebenen davon beroffen.
Nach dem 03/10/1990 war es eine der ersten Aktionen der BuWe noch vorhandene Bestände an VVS / GVS - Dokumenten auf Entklassifizierung prüfen zu lassen. Das hat ca. 1/4 Jahr gedauert. Die meisten Dokumente sind dabei in ihrer Geheimhaltungsstufe aufgehoben wurden. Das sind die meisten, die heute (auch hier) als Kopien zu sehen sind. Das ist ein Strich durch den Stempel mit einer Signatur der entklasiffizierenden Person drauf zu sehen.
Diese Dokumente konnten als Arbeitsmaterial völlig unberührt privat mit nach Hause überführt werden. Daher existieren sie. Unabhängig hat man zuvor alles versucht der neuen Armeeführung eine geordnete Dokumentation zu 'allem' für sie Neuem zu übergeben. Dafür wurde viel Zeit investiert, manche Dokumentation neu geschrieben (aus dem russ. übersetzt z.B., von russ. Fachbegriffen befreit). Dies sah dann 1992/3 im Fuchsbau so aus, dass tagelang Altpapiergroß-Container vor dem Kopfbau mit diesem Inhalt auf Entsorgung warteten. Auch Teile daraus wurden in private Archive überführt und existieren daher noch.
Die ehemalige VS-Stellenbearbeiterin unseres Bereiches wurde schon eher entlassen - als noch einzelne Offiziere da im Bereich Dienst taten (und schon längst irgendwie BuWe-Angehörige waren). Denen hat sie den Schlüssel in die Hand gedrückt. Man hatte insgesamt den Eindruck das die Staatsführung gar nicht wollte, dass allzuviel im Bundesarchiv landet und vllt heute noch Auskunft gegen könnte. Ausgerechnet die Public-Relations-Abteilung der Staatsmacht über die Greuel der DDR hat hier etwas Abhilfe geschaffen » die BStU » hier sind ja alle Dokumnete die irgendwie nach MfS rochen und noch da waren, gesichert worden. Auch etliche NVA Dokumente.
ZitatDie ehemalige VS-Stellenbearbeiterin unseres Bereiches wurde eher entlassen als noch einzelne Offiziere da Dienst taten (und schon längst irgendwie BuWe-Angehörige waren). Denen hat sie den Schlüssel in die Hand gedrückt.
Diese Beschreibung sagt eigentlich alles. Und so lief es teilweise ab. Es wurden die Fenster aufgemacht unten stand ein Hänger und ab durch die Mitte. So z.B. geschehen im Kommando. Ich weiß das genaue Datum nicht mehr, aber urplötzlich verkündete unser Chef, es gibt keine VS-Sachen mehr. Die "berühmten" VS-Koffer wurden aufgelöst und der VS-Stellenleiter verwaltete eine nun wertlose "Kammer"- ex VS-Stelle. Das alles verbunden mit der Weisung den Herren von der BW alles zugänglich zu machen. Ein "historisches Gewissen" hatte insbesondere der A1c - glaube Mj. Genth- und OTL Agatha. Sie haben die Wegwerfwut einiger ehemaliger NVA-Offiziere nicht verstanden. Insbesondere die personelle "Auflösung" der VS-Stellen - Entlassung der Frauen, Umsetzung von männlichen AA und ZB die z.T. auch eine Ausbildung als Archivar hatten - führten zu einem großen Durcheinander und undifferenzierter massenhafter Wegwerfwut. War schon erstaunlich wie ehemalige stramme "parteitreue" Stabsoffiziere sich ganz schnell ihrer Vergangenheit entledigen wollten. Aber das ist ein anderes Thema. Episode Was oben aus dem Fenster flog wurde unten auf dem Hänger sortiert und mitgenommen was sich lohnte. So ist eben vieles in den "Marktkreislauf" gekommen.
Kleine Präzisierung der Erinnerung. Als die VS-Stellenleiterin (uniform.) ging, hatte die verbleibende ZB der VS-Stelle die Schlüsselgewalt. Als diese sich um ihr Weiterkommen/-verbleiben kümmerte und in einem anderen Bereich Arbeit bekam gab sie den VS-Stellenschlüsselkasten (mit Schlüssel) dem letzten dienstgradhöchsten ehem. NVA-Offizier "zu treuen Händen". Bei diesem verblieb er, bis auch dieser ging. Eine vollständige "Auflösung " der VS-Stelle an sich habe ich nicht erlebt. Der zuständige "West"-OTL ermahnte diesen Offizier nur immer wieder mal, doch langsam Alles was nach seiner Auffassung nicht mehr gebraucht würde, in das Altpapier zu werfen. Selber wollte er mit der VS-Stelle nichts zu tuen haben. Der VS-Stellenschlüsselkasten wurde dann auch nicht mehr beim OvD deponiert (denn den gab es ja dann auch nicht mehr), er stand im Blechschrank dieses Offz. in dessen Dienstzimmer. Später kamen dann auch noch mal welche, die fragten gezielt nach sowj. Unterlagen zu Automatis. Führungssystemen, aber die waren nach "so langer Zeit" dann schon wirklicht vernichtet. So richtig was mitzunehmen habe ich mich nicht getraut, da es sich bei den Unterlagen, mit denen ich zu tuen hatte, um solche von durch die BuWe noch genutzten Einrichtungen bzw. Systemen handelte. Ich wundere mich heute nur immer wieder, was da so alles wieder auftaucht und wer da was mitgehen lassen hat. So oder so ähnlich lief es in allen Bereichen/Abteilungen/Diensten des Kommando LSK/LV.
Wie diszipliniert wir doch alle waren. Treu und brav haben wir bis zur letzten Sekunde unsere Pflicht erfüllt. Ein Offizier bei Kader musste die Bestände an Orden, Auszeichnungen und Ehrenzeichen aus dem Keller bergen und im Ministerium abgeben, damit sie dann dort als Erinnerungsgeschenke weiterverteilt werden konnten. Und das Alles mit einer äußersten buchhalterischen Akrebie ... Die Bundeswehrleute schleppten dann als Beute weg was die Taschen tragen konnten und verteilten unter Westbekannten/Verwandten/Kameraden.... Aber es blieb ein Rest- den ich dann in die Mülltonne entsorgen durfte.
Die buchhalterische Akribie tauchte überall auf ... in Werkstätten und Lager tat sich nach der Wende eine Art Andenken- und Errinnerungsgeschenke Produktion auf. Fliegerische Instrumente in gediegener Holzeinfassung, Funkeruhren darin etc., gravierte Messingschildchen ... Vieles wurde ja wegen der Leuchtziffern und dem Vorwand "gefährlich" eingesammelt - welch Geschrei als einiges der gefährlichen Dinge dann nicht mehr für die Produktion zur Verfügung standen und andere Wege in den Müll gegangen sind.
Also, wir waren in 2012 in der zentralen Registratur des damaligen "Kdo LSK/LV Vorbereitungsstab 5. Luftwaffendivision" drin- besser: in der ehemaligen Registratur. Mann Mann ein Haufen Räume. Da alle VS-Stellen im Kdo LSK/LV aufgelöst wurden, ging sämtliches an Dokumentation dort hin. Die Panzerschränke stehen noch. Bekommt sicher auch kein Bundeswehrler fort ohne Hausabriss. Aber leeeeer. So ein Kocher stand noch dort für die rotbraune Mumpe zum Dokumente hartpetschieren. War sogar noch in Steckdose gesteckt. Sah also aus wie Flucht irgendwann. Aber war interessant. Komisch, dass die Leiterin der Registratur vorher bei SAS und MfS (2000) war und dann dort durch A2 weiter beschäftigt wurde.
User Block50M schrieb einst dazu: Im September 90 sollte ich alle VS-Unterlagen abgeben. Da ich noch anstehende periodische Kontrollen durchzuführen hatte, brauchte ich natürlich meine VS-Dokumente noch. Darauf habe ich von der VS-Stelle zu meinen Dokumenten die Nachweiskarten erhalten und für die VS-Stelle war das Thema erledigt. Seitdem sind die VS bei mir. Ich bin ja quasi immer noch verantwortlich.