Viel Natur: Herren- und Kulturhäuser im Lassaner Winkel sind einen Besuch wert
Im Lassaner Winkel gibt es viel zu entdecken. Adlige ließen prächtige Herrensitze errichten, die DDR baute ein Vorzeigekulturhaus und Förster versuchten Bäume aus dem Ausland zu kultivieren.
Der letzte Freizeittipp der OZ führte durch die Kleinstadt Lassan, den Hauptort des Lassaner Winkels. In der Umgebung gibt es viel zu entdecken. Von Lassan fahren wir nach Buggenhagen mit einem vergleichsweise prächtigen Herrenhaus. Heute beherbergt das sanierte und zumeist Schloss genannte Gebäude das Till-Richter-Museum.
Der zweigeschossige Herrensitz der zu den ältesten pommerschen Rittergeschlechtern Buggenhagens soll im Wesentlichen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gebaut worden sein. Im 19. Jahrhundert erhielt er seine heutige, klassizistische Gestalt. Das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Bodenreform von 1945 war auch für Buggenhagen eine tiefe Zäsur. Flüchtlinge und Vertriebene zogen ins „Haus des Friedens“. Hier befanden sich Wohnungen, der Kindergarten, eine Gaststätte und ein Dorfkonsum, also eine Verkaufseinrichtung. Das Äußere des Hauses wurde vereinfacht, unter anderem der Turm beseitigt.
1994 wurde das Schloss von der Gemeinde verkauft. 1995 bis zur Insolvenz 2003 war das Schloss ein Hotel. Zehn Jahre später eröffnete der Kunsthistoriker Till Richter im Schloss sein Museum, das insbesondere talentierten aufstrebenden Künstlern Ausstellungsmöglichkeiten bietet. Der Eigentümer und Direktor des Museums war zuvor Professor in den USA.
Zum Schloss gehört ein etwa sieben Hektar großer Landschaftspark, der zum Spaziergang einlädt. Zum Schlosssee gelangt man über einen Weg neben dem Herrenhaus. Von dort führt der Jamitzower Kanal zum Peenestrom.
Nächste Station ist Jamitzow. Dessen Gutsbesitzer haben oft gewechselt, der Boden ist nicht sehr ertragreich. 1913 zog der 63-jährige Franz Frischen nach Jamitzow. Der gebürtige Bremer hatte ein millionenschweres Vermögen im südrussischen Nikolajew, im wolgadeutschen Siedlungsgebiet, ab 1874 durch Getreidehandel erworben. Er war dort bis 1913 Konsul für das Deutsche Reich, Belgien, Österreich-Ungarn und die Türkei. Frischen hatte Jamitzow gekauft und ließ eine neue moderne Gutsanlage inklusive eines neuen Schlosses im Stil der Reformarchitektur errichten.
Architekt war der Berliner Heinz Lassan. Der verwitwete Frischen, dessen Kinder ebenfalls schon tot waren, starb 1917. Von der Gutsanlage ist wenig erhalten. Das Gutshaus brannte 1929 ab, der Marstall 1947, als Neubauern Sirup kochten. Erhalten blieb das säulengeschmückte Gästehaus, in dem Frischens Nachfolger wohnten. Auch das lang gestreckte Verwalterhaus mit Tordurchfahrt (heute von der Feuerwehr mitgenutzt) am Eingang zum Gutsgelände steht noch. Hier befanden sich z. B. die Stellmacherei, Schlosserei sowie Wohnungen und ein Versammlungsraum. Erhalten blieb ferner die Schmiede. Aufwendig wurde nach der Wende ein Backsteinstall saniert.
Wir fahren weiter in das schön gelegene Klotzow. Einige Häuser stehen unter Denkmalschutz, darunter das Fachwerkgebäude „Künstlerhaus Alte Schule“ von Cornelia Lorenz mit Kultur- und Skulpturengarten in der Bergstraße. Von hier ist Usedom gut zu sehen. Das ist auch auf der Weiterfahrt zur B 110 von der Höhe Richtung Pinnow/B111 möglich. Der Weg führt durch den Wald.
Um das historische Pinnow zu besuchen, biegt man von der Bundesstraße in den historischen Ort ab. Richtung Wangelkow liegt ein beliebter Badesee. Wichtigste Sehenswürdigkeiten sind das Pfarrgehöft und die Kirche an einem weiteren See. Das verputzte Gotteshaus liegt am Pilgerweg Via Baltica und punktet mit einigen bemerkenswerten Ausstattungsstücken. Zum See hin liegen die Gräber der Familie von Behr, die 1819 Pinnow erwarb. Carl von Behr (1864 bis 1941) ist eines der Grabkreuze gewidmet.
Er war ab 1904 Kammerherr der Kaiserin Auguste Victoria, engagierte sich für den Mutterschutz und ergriff die Initiative zum Bau des Auguste-Victoria-Säuglingsheims in Berlin. Bekannt wurde von Behr durch die Gründung des „Deutschen Bundes für Volksaufartung und Rassenkunde“ 1925. Für seine Forschungen, namentlich zur Vererbung, verlieh ihm die Uni Berlin die Ehrendoktorwürde. Von Behr propagierte eine Erneuerung des Adels durch Züchtung. Die Eugenik hatte in der Weimarer Republik viele Anhänger bis hin zu SPD-Mitgliedern. Das Behrsche Herrenhaus wurde 1988 abgerissen, das Gut war 1929 aufgesiedelt worden.
Das nahe der B 110 gelegene Libnower Herrenhaus ist nach der Wende sehr ansprechend saniert worden. Es beherbergt eine Rahmenwerkstatt und die Galerie „art deposito“. Gebaut wurde das Haus im seinerzeit populären Tudorstil 1862 für Wilhelm Homeyer von dem Anklamer Baumeister Drowatzky. Bis 1990 war es Kinderferienlager des VEB Edelweiß Magdeburg, einer Textilreinigungsfirma.
Letzte Station dieser Tour ist Murchin. In der DDR wurde das Herrenhaus bis zur Unkenntlichkeit vereinfacht. Aber es lohnt sich an einem verklinkerten Wirtschaftsgebäude (Inschrift F. v. H. 1867), das Gutsherr Friedrich von Homeyer bauen ließ, ins Dorf abzubiegen. Hier steht das 1952 bis 1954 gebaute Kulturhaus im Stil des sogenannten sozialistischen Klassizismus. Vorbild war das Festspielhaus Hellerau. Vier Reliefs von Walter Bullert (1895 bis 1986) „Die Arbeit der Landwirtschaft in den vier Jahreszeiten“ zieren die Fassade. Das Gebäude war ab 1974 Kreiskulturhaus Anklam.
Murchin bekam den Staatlichen Kulturpalast als Auszeichnung, weil die Maschinen- und Ausleihstation (MAS) im Ort 1950 und 1951 die Wanderfahne des Ministerrates der DDR gewonnen hatte. Der stellvertretende Landwirtschaftsminister Paul Scholz (1902 bis 1995) setzte sich für den Neubau in einem „entlegenen Winkel Mecklenburgs“ (Pommern gab es im offiziellen Sprachgebrauch nicht mehr) ein.
Im Zuge der Bewegung Kultur aufs Land sollten in zentralen Orten Stätten der Bildung, Unterhaltung und Geselligkeit entstehen. Murchins Kulturhaus, seinerzeit der größte Bau seiner Art in der DDR, war Vorbild für andere vergleichbare Gebäude. Nach der Wende warb bis 2002 die Disko „Hyperdome“ um Gäste. Seither steht das Haus leer.
Nahe der B 110 Richtung Ziethen liegen ein Vierpottkaten, ein Fachwerkhaus aus dem 18. Jahrhundert mit zentraler Küche und vier Wohnungen, sowie die etwas unscheinbare Kirche. Auf dem umgebenden Friedhof erinnern Grabsteine an die Gutsbesitzerfamilie.
Gleich hinter dem Ort führt an einem Hinweisschild für die nahe Jugendherberge ein Weg ins Seeholz. Der 40 ha große Wald liegt am Küchensee. Ein etwa zweihundert Meter langer, buchengesäumter Laubengang führt in das besuchenswerte Areal. Leider ist der Lehrpfad schlecht ausgeschildert.
Der erwähnte Murchiner Gutsherr Friedrich von Homeyer hatte Forstwirtschaft studiert und begann im Seeholz zwischen 1855 bis 1865 ausländische Gehölze auf ihre Eignung bei uns zu testen. Unter anderem Küstentannen, Lebensbäume und Scheinzypressen wurden gepflanzt. Ein Findling, der „Schillsche Scheinenstand“ erinnert daran, dass sich 1807 hier eine Einheit des Majors von Schill während der Auseinandersetzungen zwischen Preußen, Schweden und Frankreich aufhielt.
Fotos: Eckhard Oberdörfer
- Gut Jamitzow
- Peenestrom bei Klotzow
- Kulturhaus Murchin
- Relief am Kulturhaus Murchin