Vor 76 Jahren, am 7.Juni 1945, wurden aus dem Lager in Podersam (Podbořany) von einer Abteilung der Roten Armee oder
der Revolutionsgarden etwa 70 Deutsche ausgesucht und am Elementenwald (Valovský les - Wohlauer Wald) zwischen Wohlau (Valov) und Letau (Letov) ermordet. Den Internierten wurde
gesagt, sie gingen zur Arbeit; ihre Bewacher suchten den Ort der Hinrichtung offenbar zufällig aus. Die Opfer wurden in einem Schachtgrab 5 x 4 Meter begraben
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Der Alte war damals ein Junge von 16 Jahren, und er befand sich mit dem Vater auf dem Hof, als die Männer kamen. Karel Srp war ihr Anführer. "Er hatte eine Pistole im Gürtel stecken und die Jacke so aufgeschlagen, dass man die Waffe sah", so erinnert sich der Mann. Karel Srp hatte auch einen Schlüssel dabei, er zeigte ihn dem Vater und wollte wissen, in welches Schloss der passen würde. Er schlug den Vater, und dann nahmen sie diesen mit, und das Bild, das sich dem Jungen einprägte, ist das des Vaters, wie er auf der Ladefläche des abfahrenden Lastwagens stand. Ein paar Tage später hörte man im Dorf die Schüsse, die vom Wald her kamen, und dann wurde der Junge mit den anderen geholt, um die beiden Massengräber auszuheben
An jenem Tag, es war der 7. Juni 1945, wurden auf einem Acker am Elementenwald bei Podersam (Podbořany) im Saazer Land in Nordböhmen mindestens 68 Männer umgebracht, Sudetendeutsche
Es gab nur zwei tschechische Familien im Dorf, eine war die Familie Srp. Karel Srp, 1916 geboren, spielte als Kind mit deutschsprachigen Altersgenossen, als junger Mann verschwand er in Richtung Prag, noch ehe das Nazi-Regime am 1. Oktober 1938 auf der Basis des Münchner Abkommens das Sudetenland ans Deutsche Reich angliederte. 1945, nach dem Ende der NS-Herrschaft, war Srp wieder zurück in Groß-Otschehau "und spielte den Bürgermeister", wie der Alte sagt. Srp war nach Auskunft verschiedener Zeitgenossen eine jähzornige, despotische Natur, und so führte er sich auch am 7. Juni 1945 auf. Vertriebene Sudetendeutsche, unter ihnen Eduard Fickert aus Groß-Otschehau, der später in Gründau in Hessen lebte, berichteten, an jenem Tag habe eine Gruppe tschechischer Gardisten, gekleidet in Uniformen des Deutschen Afrika-Corps, in Podersam 68 inhaftierte Sudetendeutsche aus dem örtlichen Gefängnis zum Elementenwald geführt und dort auf dem Feld ermordet
Im Nachbardorf Groß-Otschehau rief man danach Männer und Halbwüchsige herbei, um die Toten in zwei Massengräbern zu beerdigen. Eduard Fickert war unter diesen unfreiwilligen Helfern, und seinem schriftlichen Bericht zufolge hat damals Karel Srp als Anführer der Gardisten gerufen, die toten Männer hätten ausreißen wollen, "und wenn ihr euch drückt oder nicht arbeiten wollt, ergeht es euch genauso". Es wurden zwei Gräber geschaufelt, dann zog man den Toten die Kleider aus, schichtete die Leichen aufeinander in die Grube und bedeckte sie mit Erde
Zu den Helfern gehörte auch der 16-jährige Junge, er ist heute der einzige noch lebende Zeuge. "Man hat gedacht, wenn das Loch fertig ist, dann kriegen wir eine Kugel in den Kopf und fallen in das Loch hinein", sagte der Alte im Gespräch mit Reportern der Süddeutschen Zeitung und des Tschechischen Rundfunks. Was er damals nicht ahnte und erst später erfuhr: unter den Männern aus Podersam, Groß-Otschehau, Kriegern (Kryry) und anderen Dörfern der Umgebung, die da verscharrt wurden, war sein eigener Vater
Die Zahl der Opfer steht nicht exakt fest. Sudetendeutsche sprechen von 68 Personen, eine 69. ist angeblich entkommen. Teilweise ist auch von 84 Toten die Rede, und ein Geheimbericht der tschechoslowakischen Staatssicherheitsbehörden aus dem Jahre 1947, der sich heute im Staatsarchiv befindet, spricht von 70 Personen
Der Haupttäter Karel Srp aus Groß-Otschehau ist 2006 im Alter von 90 Jahren verstorben. Allerdings förderte der Reporter Pavel Polák vom Tschechischen Rundfunk ein interessantes Detail aus seiner Biographie zutage, das erklären könnte, warum Srp 1945 so rabiat auftrat. Seine Stieftochter sagte, in der Familie habe man Srp als "Gestapo-Mann" bezeichnet, weil der sich in der Nazi-Zeit mit den Deutschen so gut verstanden habe. Aus anderen Fällen ist bekannt, dass manches Verbrechen an Sudetendeutschen von tschechischen Kollaborateuren des NS-Systems verübt wurde, die sich so gegenüber ihren Landsleuten reinzuwaschen hofften
Quellen Texte: Klaus Brill für die "Süddeutsche Zeitung", Pavel Polák für den Tschechischen Rundfunk, Sachbuch "Blutiger Sommer 1945-Nachkriegsgewalt in den böhmischen Ländern" von Jiri Padevet
Im Dokument der regionalen Dienststelle der Staatssicherheit vom 25.8.1947, aufbewahrt im Gemeindeamt in Groß Otschehau (Očihov), ist der Ort des Mordes folgendermaßen bestimmt: am Wald auf der rechten Seite der Landstraße Podersam (Podbořany) – Groß Otschehau (Očihov) bei dem Feldweg etwa 150 m vom Wald auf dem Feld auf der rechten Seite des Feldweges erschossen und auf der linken Seite des Feldweges begraben
(Gemeindeamt Groß Otschehau)