Eurofighter-Skandal - Hat Airbus beim Eurofighter Österreich betrogen ?
Staatsanwälte in Österreich finden Hinweise für einen möglichen Betrug beim Verkauf von Kampfflugzeugen der Airbus-Tochter Eurofighter.
Ein kleiner Moment der Ehrlichkeit hätte gereicht, um einen der größten Skandale der Rüstungsindustrie zu verhindern. Als bei einem Treffen am 14. Januar 2002 in Hallbergmoos nahe München die Einkäufer des österreichischen Militärs die Vertreter von Airbus fragten, ob der Konzern den gewünschten Abfangjäger vom Typ Eurofighter auch wirklich fristgerecht liefern könnten, da bejahten die Manager dies.
Dabei heißt es in einem internen Sitzungsprotokoll eines Airbus-Managers: „Die kurze Frist zwischen Vertragsunterzeichnung und erster Lieferung, etwas weniger als 29 Monate, war faktisch als Risiko eingestuft worden“.
Das Risiko ging Airbus wider besseres Wissen ein. Neun Tage nach der Sitzung in Hallbergmoos lief die Angebotsfrist für die Anschaffung von 18 Abfangjägern aus – zu dem Zeitpunkt wussten die Manager bereits, dass sie den späteren Vertrag würden brechen müssen. Europas Vorzeigekonzern war schlichtweg nicht lieferfähig, wie interne Dokumente belegen.
Die dreiseitige Halbergmoos-Notiz ist Teil einer Millionen Seiten umfassenden Datensammlung, welche die Generalstaatsanwaltschaft Wien derzeit ausgewertet. Auf Basis interner Protokolle, E-Mails und Finanzanalysen kommen die Ermittler zu dem Schluss, dass Airbus bei dem knapp zwei Milliarden Euro schweren Auftrag betrogen hat.
„Die Republik Österreich wurde sowohl beim Kauf 2003 als auch beim Vergleich 2007 getäuscht. Der Republik Österreich ist damit ein Schaden von mindestens 183,4 Millionen und bis zu 1,1 Milliarden Euro bis Ende 2016 entstanden“, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums dem Handelsblatt. Untersucht wird auch, ob Schmiergelder an österreichische Politiker geflossen sind. Die Unterlagen in Wien liegen dem Handelsblatt in Auszügen vor.
Ihren Datenschatz tauften die Ermittler nach dem griechischen Götterboten „Hermes“, der auch Gott der Diebe ist. Zugriff erhielten die Österreicher auf die Unterlagen über die Staatsanwaltschaft München, die bei einer Razzia in der Airbus-Außenstelle Ottobrunn Unmengen an Daten beschlagnahmt hatte. Airbus steht wegen zahlreicher Korruptionsvorwürfe und Lieferverzögerungen etwa bei Hubschraubern oder dem Transportflugzeug A400M in der Kritik. Neben Deutschland und Österreich ermitteln auch Staatsanwälte in Frankreich und Großbritannien.
Wie die Manager der Airbus-Tochter Eurofighter agiert haben, zeigt das Beispiel Österreich. Dem Kunden aus der Alpenrepublik versicherte das Management immer wieder, der Auftrag würde nach Plan abgearbeitet. Schon drei Monate vor Vertragsschluss mussten die Führungskräfte hinter geschlossenen Türen aber einräumen, dass sie gleich 31 Komponenten nicht beschaffen könnten, um die 18 Kampfflugzeuge zu bauen.
Zuweilen hektisch suchten die Airbus-Leute nach Lösungen. An Kreativität mangelte es ihnen nicht. Auf einer internen Sitzung am 7. April 2003 kommt die Idee auf den Tisch, von den 31 fehlenden Komponenten könnten wohl vier auf dem Graumarkt beschafft werden. Festgehalten ist dies in einer Präsentation, die dem Handelsblatt vorliegt. Unklar ist, ob der Flugzeugbauer diesen Vorschlag umgesetzt hat. Airbus lehnte einen Kommentar dazu ab.
Trotz aller Hürden wollte das Management nicht von dem Deal ablassen. Es brauchte ihn, da Österreich der erste richtige Exportauftrag werden sollte. Neben den Stammkunden – darunter Deutschland, Frankreich und Großbritannien – hatte bis dahin keine weitere Streitmacht den Eurofighter kaufen wollen. Mit aller Macht wollte Airbus seinen neuen Kampfflieger in den Markt drücken und den Wettbewerb mit dem US-Rivalen Boeing aufnehmen.
Der Deal mit der konservativ-rechtspopulistischen Regierung in Wien musste also klappen, damit Airbus die Exportchancen für den Eurofighter bewahren konnte. Dafür waren die Manager zu Risiken bereit.
Den unruhig gewordenen Kunden aus Österreich versuchten sie immer wieder zu beruhigen.
So legten die Airbus-Vertreter bei einem Treffen im Mai 2006 Präsentationen vor, die einen technisch sauberen Hochlauf der Fertigung suggerieren sollten, notierten die Ermittler aus Wien trocken in ihren Unterlagen. „Es liegen uns valide Informationen vor, die darauf schließen lassen, dass die Republik Österreich von Airbus und Eurofighter sowohl beim Kauf 2003 als auch beim Vergleich 2007 getäuscht und die Entscheidungsträger der Republik in die Irre geführt wurden“, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums.
Intern liefen nämlich längst Planungen, um die Folgen des Desasters abmildern zu können. Einfach laufen lassen konnte Airbus den Auftrag nicht mehr. Denn laut einer internen Analyse vom 29. Juni 2004 – ein Jahr nach dem Zuschlag – drohten hohe Vertragsstrafen, weil der Kunden sich betrogen fühlen könnte. „Im extremsten Fall wäre das existenzgefährdend“, lautet das Resümee. Gemeint ist damit die Tochter Eurofighter GmbH, nicht der gesamte Airbus-Konzern. Das Unternehmen könnte zudem als Lügner und Betrüger dargestellt werden, was zukünftige Exporterfolge gefährden würde.
In Wien startet ein neuer Untersuchungsausschuss
Und so wurschtelte sich Airbus durch. Den Kunden gegenüber wurden die Mängel nicht deutlich gemacht, es wurde immer wieder nachverhandelt, erinnert sich ein Insider. Mit Österreich einigte sich der Flugzeugbauer schließlich 2007 auf eine Reduzierung des Auftrags. Die Militärs erhielten nur 15 Flugzeuge, sie sollen letztlich auch Abstriche bei der Leistungsfähigkeit akzeptiert haben.
Airbus weist die Vorwürfe in einer Stellungnahme zurück. Die Anschuldigungen seien falsch und juristisch ohne Boden, erklärt der Konzern. In Kreisen von Airbus heißt es, dass die Regierung jederzeit über den Fortgang der Auftragsabwicklung informiert worden sei. Nichts sei dem Kunden verheimlicht worden.
Doch die Österreicher lassen nicht locker. Hans Peter Doskozil (SPÖ), Verteidigungsminister der damaligen rot-schwarzen Koalition, zeigte Airbus im Februar 2017 wegen Untreue und Betrug bei der Staatsanwaltschaft Wien an. Parallel ermittelte die Staatsanwaltschaft München wie die Kollegen in Wien, ob Schmiergelder geflossen waren.
Beweise fanden die Beamten aus Bayern nach eigenem Bekunden dafür zwar nicht. Aber man schrieb Airbus eine Verletzung der Aufsichtspflichten ins Stammbuch und verhängte ein Bußgeld von 81,2 Millionen Euro, das Airbus auch akzeptierte.
In Wien dagegen ist eine einvernehmliche Lösung mit Airbus nicht in Sicht. „Wenn für den österreichischen Steuerzahler eine Verbesserung erzielt wird, dann werden wir uns einem allfälligen Gesprächsangebot durch Airbus nicht verschließen. Dazu müssten aber von Airbus und Eurofighter die Voraussetzungen geschaffen, Transparenz in die seinerzeitigen Vorgänge gebracht und insbesondere der Republik Österreich Wiedergutmachung geleistet werden“, sagte Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzverwaltung, der als Anwalt und Berater der Republik Österreich tätig ist, dem Handelsblatt. Und genau danach sieht es nicht aus.
Politisch wird die Kontroverse ohnehin weitergehen. Denn nach der Sommerpause nimmt der mittlerweile dritte Eurofighter-Untersuchungsausschuss seine Arbeit auf. Das parlamentarische Gremium will insbesondere die Anfangsverträge mit Eurofighter genauestens unter die Lupe nehmen. Schon derzeit werden viele Tausend Seiten an Dokumenten von den Parlamentariern durchforstet. Es könnte daher ein heißer Herbst für die damaligen Eurofighter- und Airbus-Manager werden.
Quelle: Hancdelsblatt online